Strafantrag gegen AStA-Funktionäre wegen des Verdachts der Untreue
(gemäß § 266 StGB i.V.m. § 158 StPO)
 
Hiermit stelle ich namens und in Vollmacht meiner Mandanten

(...)

Strafantrag (oder: Strafanzeige; als Mitglied der Studentenschaft ist man allerdings im Zweifel Geschädigter und somit strafantragsberechtigt gem. §§ 158 Abs. 1 i.V.m. 172 Abs. 1 StPO)

gegen die nachfolgend genannten AStA-Funktionäre:

(...) und weitere verantwortliche Mitglieder des AStAs der XY-Universität zu Musterstadt wegen Verdachts der Untreue und anderer Delikte.

Meine Mandanten sind alle als Studenten an der XY-Universität zu Musterstadt immatrikuliert.

Die Anzeige bezieht sich erstens auf rechtswidrige Ausgaben von finanziellen Mitteln der Studentenschaft im Haushaltsjahr vom 1. März 1999 bis 30. April 2000 und zweitens auf die Provokation eines Ordnungsgeldes durch Artikel in der vom AStA herausgegebenen Zeitschrift "NONSENS!".

Tathandlung der Untreue nach § 266 I Alt. 2 StGB ist die Verletzung der sich aus dem Treueverhältnis ergebenden Vermögensbetreuungspflicht (Treubruchstatbestand). Taterfolg ist die Verursachung eines Vermögensnachteils.

Untreue kann auch bei Verstößen gegen haushaltsrechtliche Vorgaben oder Prinzipien gegeben sein (vgl. zuletzt BGH NJW 1998, 913). Als Tathandlung kommt jedes vermögensmindernde Handeln in Betracht.

I. Vermögensbetreuungspflicht des AStAs

Wie sich aus § 20 I 1 BerlHG ergibt, dürfen die von der Studentenschaft erhobenen Mitgliedsbeiträge allein zur Erfüllung der in § 18 II BerlHG bestimmten gesetzlichen Aufgaben verwandt werden. Selbst bei Fehlen dieser ausdrücklichen Regelung könnte nichts anderes gelten, denn Beiträge, die eine öffentlich-rechtliche Körperschaft mit Zwangsmitgliedschaft erhebt, dürfen nur für ihre gesetzlich festgelegten Aufgaben verwandt werden (BVerfGE 38, 281, 311). Um eine solche Körperschaft handelt es sich bei der Studentenschaft (§ 18 I 2 BerlHG).

Zu ihren gesetzlichen Aufgaben gehört nicht die Ausgabe von Geldern für Projekte allgemeinpolitischen Charakters und ohne spezifischen Hochschulbezug (BVerfG, Beschl. v. 19. 2. 1992 - 2 BvR 321/89, veröffentlicht bei Juris; BVerwG, Urteil vom 13. 7. 1979, E 59, 231, 238 f.; Urteil vom 12. 5. 1999, BVerwG 6 C 10.98; OVG Münster, NVwZ-RR 1995, 278f.; OVG Bremen, NVwZ 1999, 211 f. OVG Berlin, Beschl. v. 25. 5. 1998, OVG 8 SN 24.98; VG Berlin, Urteil vom 17. 8. 1999 , VG 2 A 230.97).

Wenn die Studentenschaft Gelder für nicht spezifisch hochschulbezogene Zwecke ausgibt oder mit allgemeinpolitischen Stellungnahmen Ordnungsgelder gegen sich provoziert, so erfüllt dies grundsätzlich den Tatbestand der Untreue (BGH, Beschl. vom 23. Oktober 1981, NJW 1982, 346; OLG Hamm, NJW 1982, 190; LG Marburg, NVwZ 2000, 353).

Der Treuebruchtatbetand des § 266 StGB setzt ein Treueverhältnis voraus, bei welchem dem Täter die Wahrnehmung und Besorgung fremder Vermögensinteressen nicht nur als untergeordnete Nebenpflicht und zugleich in der Regel unter Gewährung eigener Dispositionsbefugnis und eigener Entscheidungsfreiheit im Innenverhältnis übertragen ist (RGSt 69, 58; BGHSt 3, 289, 293). Diese Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen muß wesentlicher Bestandteil des Verhältnisses zwischen Treugeber und Treupflichtigem sein; eine nur beiläufige, aus dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben folgende Nebenpflicht eines Schuldverhältnisses genügt den an die Wahrnehmungspflicht des § 266 StGB zu stellenden Anforderungen nicht (Tröndle, StGB, § 266 Rn. 29 mwN). Nach diesen in der Rechtsprechung allgemein anerkannten Grundsätzen obliegt den Tatverdächtigen aufgrund ihrer Funktion als gewählten Mitglied des AStAs in ihrem jeweiligen Geschäftsbereich gegenüber der Studentenschaft die Pflicht zur Betreuung fremder Vermögensangelegenheiten als nicht nur unwesentliche Nebenpflicht, sondern als eine den übrigen Aufgaben zumindest gleichgestellte Hauptpflicht.

Unter den Organen der Studentenschaft nimmt der AStA eine Sonderstellung ein, als er das ausführende Organ der Studentenschaft ist, das die laufenden Geschäfte führt und die Studentenschaft nach außen vertritt (§ 19 IV BerlHG). Der AStA der XY-Universität gliedert sich gemäß § 8 I der Satzung der Studentenschaft in Referate, denen je ein Referent und bis zu zwei Stellvertreter vorstehen. Die Referenten vertreten den AStA im Rahmen ihrer Zuständigkeiten nach außen.

Gemäß § 6 III der Finanzordnung der Studentenschaft der XY-Universität sind die Mitglieder des Finanzreferates alleinig zeichnungsberechtigt für Auszahlungs- und Annahmeanordnungen gegenüber der Haushaltsabteilung der XY-Universität und mit ihren Unterschriften verantwortlich für die ordnungsgemäße Handhabung von finanzwirksamen Schriftstücken (Quittungen, Beleg etc.). Die Finanzreferenten führen Buch über sämtliche Ein- und Auszahlungen aus dem Haushalt des Studentenparlamentes. Nach § 6 VI der Finanzordnung hat das Finanzreferat ein Vetorecht gegen Beschlüsse des Studentenparlamentes oder AStAs, wenn es durch sie die finanziellen oder wirtschaftlichen Interessen der Studentenschaft gefährdet sieht. Der Haushaltsplan und die Festsetzung der Beiträge bedarf der Genehmigung des Leiters oder der Leiterin der Hochschule.

Die Rechnung der Studentenschaft ist von einem öffentlich bestellten Rechnungsprüfer oder einer anerkannten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu prüfen (§ 20 III 1 BerlHG). Die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Studentenschaft unterliegt der Prüfung durch den Rechnungshof von Musterstadt (§ 20 III 2 BerlHG).

Somit ergibt sich eine Vermögensbetreuungspflicht der Referenten für ihren jeweiligen Aufgabenbereich gegenüber der Studentenschaft als Trägerin eines Sondervermögens. Die besondere Hervorhebung der im Zusammenhang mit dem Haushalts- und Finanzwesen bestehenden Pflichten und Rechte im Musterstadter Hochschulgesetz, in der Satzung der Studentenschaft wie auch in der Finanzordnung der Studentenschaft zeigen, daß es sich hierbei um wesentliche Pflichten handelt, die dem Selbstverwaltungsorgan AstA gegenüber der von ihm vertretenen Zwangskörperschaft und ihren sämtlichen Mitgliedern, den Studentinnen und Studenten, obliegen. Zugleich beinhalten die Pflichten und Rechte auch eine eigene Dispositionsbefugnis der AStA-Mitglieder im Rahmen des gesetzmäßigen Aufgabenkatalogs. Wegen der Allzuständigkeit des AStAs bei der laufenden Geschäftsführung handelt es sich auch um eine nicht ganz unbedeutende Angelegenheit von einigem Gewicht und einem gewissen Grad von Verantwortlichkeit (vgl. OLG Hamm, NJW 1982, 190, 191; LG Marburg, NVwZ 2000, 353, 354).

II. Anordnung zweckwidriger Ausgaben aus Mitteln der Studentenschaft

Soweit die Mitglieder des Finanzreferates Auszahlungsanornungen für nicht hochschulbezogene Zwecke unterzeichnet haben, haben sie dadurch ihre Pflicht zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Studentenschaft verletzt. Schon im zweckwidrigen Einsatz öffentlicher Mittel liegt eine Nachteilszufügung, weil die zweckgebundenen Mittel verringert wurden, ohne daß der Zweck erreicht wurde (BGHSt 19, 37, 45; BGH, NJW 1998, 913, 914).

Aus den bisher vorliegenden Unterlagen entsteht der begründete Verdacht, dass Mittel der Studentenschaft der XY-Universität in der Höhe von ca. DM 50.000 zweckwidrig verwandt wurden. Aus den bisher vorliegenden Unterlagen sollen an dieser Stelle zwanzig besonders krasse und flagrante Verdachtsfälle der Untreue hervorgehoben werden. Es ist davon auszugehen, dass bei genauerer Kontrolle aller Haushaltsunterlagen noch eine große Anzahl weiterer Verdachtsfälle zu finden sind.

Alleine aus dem Protokoll der AStA-Sitzung vom 23. November 1999 (Anlage Y) ergeben sich folgende Beschlüsse über Mittel der Studentenschaft, die offensichtlich keinerlei Hochschulbezug aufweisen:

1.

DM 1.600

Plakate für "Quartiersmanagement in Plattenhausen",
2.

DM 200

Fahrtkosten Anti-EXPO-Arbeitswochenende,
3.

DM 2.000

Solidaritäts-Bündnis für den in den USA zum Tode verurteilten Polizistenmörder Mumia Abu-Jamal,
4.

DM 2.000

Druckkosten einer Publikation über die Situation politischer Gefangener im Iran,
5.

DM 4.000

Materialkosten für Gefängnisarbeit in St. Petersburg,
6.

DM 2.000

Druckkostenzuschuß "Antifa",
7.

DM 2.500

Druck- und Fahrtkosten im Rahmen der Kampagne für die Freiheit des Polizistenmörders Mumia Abu-Jamal,
8.

DM 554

Fahrtkosten für Vertreter von Exilorganisationen politisch Verfolgter zum "Internationalen Kampftag zur Befreiung aller politischer Gefangener weltweit".

Aus einer Aufstellung des AStA-Finanzreferates (Anlage X) gehen folgende offen zweckwidrige Ausgaben hervor:

9.

DM 125

Geräteleihe für Friedensinitiative (Beschluß vom 11.5.1999), Seite 12 der AStA-Aufstellung,
10.

DM 1.500

Druck Broschüre Antifa-Jugendfront (AJF) (Beschluß vom 23.5.99), Seite 14,
11.

DM 1.500

Zeitschrift "illoyal" (Beschluß vom 13.4.1999), Seite 14,
12.

DM 2.296

Plakate Grenzcamp 99, Seite 15,
13.

DM 580

Druck Faltblätter zum Holocaust-Mahnmal (Beschluß vom 11.5.1999), Seite 15,
14.

DM 1.160

Plakat, Flyer, "Jugoslawien" (Beschluß vom 6.5.1999), Seite 15,
15.

DM 1.038

drei Flugtickets à DM 346 nach London zur Pinochet-Pressekonferenz, Seiten 19 und 20,
16.

DM 1.600

Vorschuß Konferenz "Black Lesbian in Latin America" (Beschluß vom 23.2.1999?), Seite 19,
17.

DM 438

Anti-Atom-Herbstkonferenz 98, Miete und Material (Beschluß vom 22.9.1998 und ?), Seite 19,
18.

DM 997,66

Demonstration gegen Bundeswehr-Gelöbnis am Bendler-Block am 20. Juli 1999 (Beschluß vom 29.6.1999), Seite 20,
19.

DM 945,40

Konferenz am 2. Oktober 1999 unter dem Motto "Antideutscher Kongreß", Seite 20,
20.

DM 900

Vorschuß "Jugoslawien-Kongreß" (Beschluß 6.5.1999), Seite 21.

Seit Frühjahr 2000 wird jede weitere Einsichtnahme in Protokolle der AStA-Sitzungen sowie weitere Finanzunterlagen des AStAs verweigert. Deshalb konnte auch nicht festgestellt werden, ob danach weitere studentische Mittel zweckwidrig ausgegeben wurden. Alleine aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich aber schon der dringende Verdacht, daß studentische Gelder in Höhe von mehreren zehntausend DM zweckwidrig verwandt worden sind.

III. Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht der AStA-Mitglieder durch Provokation eines Ordnungsgeldes

Die Vermögensfürsorgepflicht der AStA-Mitglieder umfaßt außerdem die Beachtung von verwaltungsgerichtlich auferlegten Verboten. Durch jeden Verstoß gegen diese kann die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Studentenschaft ausgelöst werden.

Durch die Androhung eines Ordnungsgeldes gegen die Studentenschaft der XY-Universität bei erneuter allgemeinpolitischer Tätigkeit (VG Berlin, Beschluß vom 23. 11. 1999, VG 2 A 135.99) wurde die Pflicht, die Wahrnehmung eines allgemeinpolitischen Mandates zu unterlassen, Inhalt der Vermögensbetreuungspflicht aller Mitglieder des AStAs der XY-Universität.

Die Veröffentlichungen der allgemeinpolitischen Stellungnahmen zu Jörg Haider sowie Mumia Abu-Jamal in der von der Studentenschaft herausgegebenen Zeitschrift "NONSENS!", die zur Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von DM 5.000 gegen die Studentenschaft durch das VG Berlin führten (VG 2 A 181.99, Beschluß vom 17. April 2000), stellen daher eine Verletzung der dem AStA und seinen Mitgliedern obliegenden Vermögensbetreuungspflicht dar. Eine besondere Verantwortlichkeit trifft dabei den für die "NONSENS!" zuständigen Referenten für Publikation, Herrn ABC.

Die Untreuehandlungen waren unter Berücksichtigung der gerichtlich angedrohten Ordnungsgelder bereits mit Begehung der Pflichtwidrigkeit vollendet, da schon hierdurch eine konkrete Vermögensgefährdung entstanden war, weil nunmehr mit der Vollstreckung der gerichtlich festgestellten Unterlassungsansprüche zu rechnen war (OLG Hamm, NJW 1982, 190, 192; LK-Hübner, § 266, Rn. 97; Schönke-Schröder-Lenckner, § 266, Rn. 45). Hieraus folgt, daß es auf die in der Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens bestehende spätere Ursache für die Vermögensminderung nicht ankommt, wenngleich erst mit Eintritt der Vermögensminderung der Tatbestand der Untreue beendet wird.

Mit freundlichen Grüßen

Meier
Rechtsanwalt