Hochschulrecht:
Zulassung eines Wahlvorschlages
Verwaltungsgericht Berlin
Datum: 30. Dezember
1994
VG 2 A 173.94
Zur Zulassung eines Wahlvorschlages zu den Wahlen für
den Akademischen
Senat und für das Konzil - hier: fehlerhafte
Zurückweisung des
Wahlvorschlages
Tatbestand
Der Antragsteller ist als Student im Fachbereich
Politische Wissenschaft der
Antragsgegnerin mit dem Studienfach Politologie
eingeschrieben. Er
kandidiert auf den unter dem Kennwort
"Alternativ-Undogmatische
Student/Innen" in der Gruppe der Studenten zu den
FU-Wahlen am 19/20. Januar
1995 eingereichten Wahlvorschlägen für den Akademischen
Senat und für das
Konzil und unterstützt zugleich diese Listen. Diese
wurden zwar auf dem
dafür vorgesehenen Formblatt eingereicht. In der Spalte
für die Eintragung
des Studienfaches der Kandidaten war aber u.a. beim
Antragsteller nichts
eingetragen, während in der für die Fachbereichsangabe
vorgesehenen Spalte
"Politologie" angegeben war. Deshalb ließ der
zentrale Wahlvorstand die
Wahlvorschläge mit der Begründung nicht zu, daß für
sie nach Streichung der
Bewerber ohne Angabe des Studienfachs eine ausreichende
Zahl von
Unterstützern fehle. Der dagegen vom Antragsteller
fristgerecht erhobene
Einspruch wurde mit Bescheid vom 16. Dezember 1994
aufgrund Beschlusses des
zentralen Wahlvorstandes vom 25. November 1994
zurückgewiesen.
Mit dem am 24. Dezember 1994 bei Gericht eingegangenen
Antrag begehrt der
Antragsteller die Zulassung der Wahlvorschläge im Wege
der einstweiligen
Anordnung.
Entscheidungsgründe
Der nach § 123 Abs. 1 VwGO zulässige Antrag ist auch
begründet.
Die Voraussetzungen für den Erlaß der einstweiligen
Anordnung liegen vor.
Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, daß die
Zurückweisung der Liste
durch den Zentralen Wahlvorstand der Antragsgegnerin
einen Verstoß gegen
Wahlvorschriften enthält, der im
Wahlanfechtungsverfahren dazu führen müßte,
daß die Wahl für ungültig zu erklären und zu
wiederholen wäre.
Die Antragsgegnerin beruft sich für die Zurückweisung
des Wahlvorschlages
auf § 8 Abs. 5 Satz 2 letzter Halbsatz der Wahlordnung
der Freien
Universität Berlin (FU-Wahlo) vom 8. Juli 1992
(FU-Mitteilungen Nr. 17/1992,
S. 2), wonach der Wahlvorschlag auf den von der
Geschäftsstelle des
Zentralen Wahlvorstandes herausgegebenen Formblättern
bei den studentischen
Bewerbern die Angabe des Fachbereichs und des
Studienfachs sowie ihre
Semesterzahl enthalten muß.
Es kann dahinstehen, ob diese Bestimmung eine Grundlage
dafür bietet, einen
Wahlvorschlag nicht zuzulassen, wenn er diese Angaben
nicht enthält. Denn so
liegt der Fall nicht. Grundsätzlich müssen die Angaben
es dem Wahlvorstand
für die Entscheidung über die Zulassung des Vorschlags
ermöglichen, die
Wählbarkeit der in dem jeweiligen Vorschlag
aufgeführten Bewerber prüfen zu
können. Hierfür ist wesentlich, daß der Wahlvorschlag
den Vornamen und
Zunamen des Kandidaten und die Zugehörigkeit zur
Hochschule in einer
bestimmten Gruppe und der jeweiligen organisatorischen
Einheit enthält.
Hierbei wird man - insbesondere bei den Wahlen innerhalb
der
Organisationseinheiten - die Angabe des Fachbereichs und
des Studienfachs
für erforderlich halten dürfen, weil nach § 5 Abs. 2
der Verordnung über die
Grundsätze des Wahlrechts an den Hochschulen des Landes
Berlin
(Hochschul-Wahlgrundsätze-Verordnung - HWGVO) vom 3.
April 1992 (GVBl. S.
117) die Studenten nur im Fachbereich ihres Studiengangs
(Hauptfachs)
wählbar sind (vgl. dazu Beschluß der Kammer vom 21.
Dezember 1994 - VG 2 A
155.94). Bei universitätsweiten Wahlvorschlägen - wie
sie hier in Rede
stehen - benötigt man die Angabe zumindest des
Fachbereichs) in dessen
Wählerverzeichnis der studentische Bewerber eingetragen
ist, um den
Vorschlag ohne weiteres prüfen zu können. Die
streitbefangenen
Wahlvorschläge enthalten zum Teil keine Eintragung in
der für das
Studienfach vorgesehenen Spalte des Vordrucks. Statt
dessen ist in der für
die Nennung des Fachbereichs vorgesehenen Spalte das
Studienfach
"Politologie" eingetragen. Diese
Unvollständigkeit und/oder
Falschbezeichnung erschwert die Prüfung der
Wahlvorschläge jedoch nicht
wesentlich. Das angegebene Studienfach Politologie kann
nämlich bei der
Antragsgegnerin nur am Fachbereich 15, Politische
Wissenschaft, studiert
werden. Deshalb leuchtet es ohne weiteres ein, daß die
Bewerber an diesem
Fachbereich in das Wählerverzeichnis eingetragen sein
müssen. Darauf, daß es
an diesem Fachbereich noch den weiteren Studiengang
Sozialkunde (in der
Lehrerausbildung) gibt, kommt es nicht entscheidend an.
Denn zum einen
könnten die Bewerber, bei denen im übrigen nichts
dafür ersichtlich ist, daß
sie für diesen Teilstudiengang eingeschrieben sind, auch
in diesem Fall im
Wählerverzeichnis des Fachbereichs Politische
Wissenschaft eingetragen sein;
zum anderen wären sie auch dann in ihrer Gruppe als
Mitglieder der
Hochschule wählbar, wenn dies nicht der Fall wäre.
Es ist daher nicht gerechtfertigt, die vorliegende
Unvollständigkeit und
Falschbezeichnung zu einer Wirksamkeitsvoraussetzung des
Vorschlages zu
erheben mit der Folge, daß der Vorschlag gemäß § 9
Abs. 1 Satz 2 FU-WahlO
nicht zugelassen werden könnte. Eine solche Auslegung
bedeutete einen
erheblichen Eingriff in das passive Wahlrecht der
Mitglieder der Hochschule
in ihren Gruppen. Abgesehen davon, daß nicht
zweifelsfrei erscheint, ob die
Antragsgegnerin zu einer Regelung im Hinblick auf die
wesentliche Bedeutung
eines solchen Eingriffs im Rahmen der von ihr zur
organisatorischen
Durchführung der Wahlen (§ 48 Abs. 4 S. 2 BerlHG) zu
erlassenden Wahlordnung
überhaupt befugt wäre, muß sich der Eingriff am
Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit messen lassen, d.h. er muß zur
Erreichung seines Zwecks
geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dem wird die
Auslegung durch den
Zentralen Wahlvorstand nicht gerecht. Denn es ist unter
Berücksichtigung der
Bedeutung des passiven Wahlrechts für die
Selbstverwaltung der Hochschule
nicht mehr angemessen, die Ausübung dieses Rechts
dadurch zu erschweren, daß
die Zulassung der Wahlvorschläge von der exakten
Bezeichnung abhängig
gemacht wird, wenn eine bloße Falschbezeichnung deutlich
erkennen läßt, was
in der Sache gemeint ist, und eine etwaige
Unvollständigkeit in der Sache
nicht bedeutsam wäre, wenn der Vorschlag im übrigen
eine Prüfung der
Wählbarkeit der Bewerber ohne weiteres ermöglicht.
Daher ist allein eine Auslegung des § 9 Abs. 1 S. 2
FU-WahlO mit
höherrangigem Recht vereinbar, welche § 8 Abs. 5
letzter Halbsatz als eine
Ordnungsvorschrift versteht, deren Nichtbeachtung
allerdings insoweit Folgen
haben kann, als daß nach einer Prüfung verbleibende
Unklarheiten zu Lasten
des Einreichers gehen.
Daß sich im vorliegenden Fall durch die Eintragung des
Studienfachs in die
Formblattspalte für den Fachbereich Unklarheiten
ergeben, die die
Nichtzulassung des Wahlvorschlages rechtfertigen, wird
von der
Antragsgegnerin nicht vorgetragen und ist auch sonst
nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die
Festsetzung des
Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf § 13 Abs.
1, 20 Abs. 3 GKG.
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